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Aktionsprogramm „Energie 2020“ der Verbandsgemeinde Wallmerod

Im Spannungsfeld zwischen Ökologie und Ökonomie sind die Formulierung ausgewogener Zielsetzungen und die Umsetzung geeigneter Maßnahmen nicht so einfach. Gerade im kommunalen Umfeld treffen beim Thema Energie häufig Wunsch und Wirklichkeit aufeinander und münden in offene Fragen.

  • Kann man den Aufwand für Energie in wenigen Jahren mehr als halbieren?
  • Ist die Reduzierung des Wärmebedarfs um 30 % und des Stromverbrauchs um 10 % machbar?
  • Kann man mehr Strom produzieren als verbraucht wird?
  • Sind die Steuerung der Windkraftnutzung und die Verteilung möglicher Erträge ohne kommunalen Streit denkbar?

Diese Fragen werden in der Verbandsgemeinde Wallmerod mit einem klaren „JA“ und einem Hinweis auf das Aktionsprogramm „Energie 2020“ beantwortet, das unter www.energiemittendrin.de umfassend dokumentiert ist.

Die ersten Schritte gehen

Am Anfang stand eine einfache Frage: „Wenn wir 1 Mio Euro in Energieprojekte der Verbandsgemeinde Wallmerod stecken wollen, wo sind diese Mittel am besten investiert?“

Die Frage war im Jahr 2010 nicht seriös zu beantworten und schnell war klar, dass sich die Datenlage für die eigenen Liegenschaften der Verbandsgemeinde verbessern musste. Nach intensiver Analyse aller Objekte und deren Verbräuche, flossen die Erkenntnisse in die Erstellung eines Benchmarking-Tools für den Energieverbrauch. Mit diesem selbst entwickelten Tool auf Excel-Basis, das übrigens zwischenzeitlich schon von mehreren Verbandsgemeinden übernommen wurde, werden die Verbrauchsentwicklungen systematisch ausgewertet. So werden grundlegende Hinweise für notwendige und sinnvolle Investitionsentscheidungen bereitgestellt.

Aber natürlich muss dieses Tool auch mit Daten gefüttert werden. Seit 2010 werden daher monatlich die Verbrauchsdaten aller Objekte, also von Schulen, Feuerwehrgerätehäusern, Rathaus, Freibad, Sporthallen usw., abgelesen, eingegeben und ausgewertet. Dazu ist Personal erforderlich, das mit dem seit Anfang 2011 eingerichteten Gebäude- und Energiemanagement bereit steht.

Die intensive Beschäftigung mit den Werten führten zur Erkenntnis, dass die Reduzierung des Verbrauchs wesentlich durch die Nutzer der Gebäude beeinflusst wird. Daraus entstand die Idee des Energiebonus für die Schulen und später für die Feuerwehren. Dabei werden 50 % der ersparten Energiekosten im Vergleich zum langjährigen Mittelwert an die jeweilige Schule oder die Feuerwehr ausgeschüttet. Das sind pro Jahr etwa 1.500 bis 2.000 Euro, die direkt dem Schul- oder Feuerwehrbudget zugeschlagen werden. Die Nutzer partizipieren so direkt an den erzielten Einsparungen.

Die einfachen Lösungen suchen

Nachdem die grundlegenden Daten erhoben und die Maßnahmen zur nutzerabhängigen Reduzierung der Verbräuche eingeleitet waren, stand die detaillierte Untersuchung aller Liegenschaften auf der Agenda. Zusammen mit Experten des regionalen Energieversorgers (evm) und der Transferstelle der Hochschule Bingen (TSB) wurden alle Heizungsanlagen daraufhin untersucht, ob die Ausgestaltung und Dimensionierung denn auch den tatsächlichen Bedarfen entsprechen. Dabei wurden einige Überraschungen zu Tage gefördert.

In einem Feuerwehrgerätehaus war die Aufbereitung der Warmwasserversorgung komplett überdimensioniert, so dass eine ganz einfache Umstellung der Warmwassererzeugung auf Durchlauferhitzer in diesem Gebäude zu einer Energieeinsparung von über 20 % führte.

Dafür erfolgte in der direkten Nachbarschaft im Umkleidegebäude der Zentralen Sportanlage die Warmwasserbereitung über eine Elektroheizung. Hier, wo reichlich warmes Wasser gebraucht wird, war die ineffizienteste Erzeugung gewählt worden.

Und auch in der anderen Richtung zeigten sich Extreme. So gelang es in einer Grundschule bei zweistelligen Minusgraden nicht, die Räume auf angemessene Temperatur zu bringen, da die Heizung schlicht unterdimensioniert war. Um auf die erforderliche Raumtemperatur zu kommen, wurden logischerweise Heizlüfter eingesetzt, die, wen wundert es, den Stromverbrauch nach oben schnellen ließen.

Nachdem in jedem Einzelfall die optimierte Lösung gesucht und diese schrittweise auch umgesetzt werden konnte, stellte sich nach 3 Jahren heraus, dass der Heizenergieverbrauch bereits um über 20 % gesunken war.

Die technischen Möglichkeiten nutzen

Jetzt konnte die 2. Stufe des Aktionsprogrammes „Energie 2020“ gestartet werden, die Nutzung technischer Möglichkeiten. So wurde in Hundsangen ein Wärme- und Stromverbund mit einem zentralen Blockheizkraftwerk im Freibad realisiert, der die in der Nähe befindlichen Grundschule und die Sporthalle, sowie das Feuerwehrgerätehaus mit Wärme und Strom versorgt.

Auch das Rathaus der Verbandsgemeinde blieb von den Überlegungen nicht verschont. Die in die Jahre gekommene Heizung wurde durch ein komplexes System ersetzt, das aus mehreren Komponenten besteht. Zunächst sorgt die erste Brennstoffzelle im Westerwald dafür, dass etwa 25 % des im Rathaus benötigten Stroms selbst produziert werden. Mit einer Gaswärmepumpe wird der wesentliche Teil des Wärmebedarfs abgedeckt. Last but not least, können bei sehr niedrigen Temperaturen zwei Brennwertkessel als Kaskade zugeschaltet werden. Natürlich ging diese Maßnahme mit dem Arbeitstitel „Energie hoch drei“ einher mit Wärmedämmmaßnahmen am Gebäude und vielem anderen mehr.

Den richtigen Weg gewählt

Das Ergebnis all dieser Maßnahmen zur Energieeffizienz, deren erste Überlegungen aus dem Jahr 2010 datieren, zeigt sich heute sehr deutlich. Gegenüber dem Basisjahr 2010 sank der Gesamtverbrauch aller 21 Objekte der Verbandsgemeinde Wallmerod deutlich. Bei der Heizenergie ergibt sich im Vergleich zu 2010 ein Rückgang von 33,7 %, zudem werden 7,2 % weniger Strom benötigt.

Heizenergieverbrauch GStB VG Wallmerod

Parallel zur Reduzierung der Verbräuche wurde die Stromerzeugung forciert. Mit 9 eigenen Photovoltaikanlagen, dem BHKW und der Brennstoffzelle produzierte die Verbandsgemeinde Wallmerod im Jahre 2017 rund 440.000 kWh Strom. Das sind gut 27 % mehr als in allen Liegenschaften der Verbandsgemeinde verbraucht wurde (345.200 kWh). Und da die Errichtung der Photovoltaikanlagen, deren Strom komplett eingespeist wird, noch in einem günstigen Zeitraum lag, werden durch die Einspeisevergütung ordentliche Einnahmen erzielt.

Stromverbrauch Erzeugung GStB VG Wallmerod 5

Das alles schlägt sich spürbar im Haushalt nieder. Musste die Verbandgemeinde Wallmerod im Jahr 2010 noch 243.200 Euro für Strom und Heizung aufbringen, waren es im Jahr 2017 gerade einmal 185.400 Euro. In der Gesamtbetrachtung sind von diesem Aufwand noch die Einnahmen aus der Einspeisevergütung in Höhe von 80.900 Euro abzuziehen, sodass im Haushalt effektiv nur noch 104.500 Euro zu Buche schlagen. Das sind nur noch 43 % der Haushaltsmittel, die im Jahr 2010 aufgewendet werden mussten.

Auch außerhalb der Projekte gab es einiges zu regeln. Im Rahmen der Flächennutzungsplanung wurde die Möglichkeit zur Ausweisung von Flächen für Windenergie im gesamten Gebiet der Verbandsgemeinde Wallmerod geprüft. Dabei haben sich zusätzlich zu einer bereits vorhandenen Fläche mit 3 Windenergieanlagen drei zusätzliche Flächen herauskristallisiert. Auf einer Fläche wurden von einem privaten Investor im letzten Jahr 3 Windenergieanlagen errichtet, die mittlerweile Strom für 25.000 Einwohner produzieren (Hinweis: Die Verbandsgemeinde Wallmerod hat rund 14.800 Einwohner). Eine zweite Fläche wird derzeit überplant. Die dritte ist in einem Verbund mit einem benachbarten Windpark aufgegangen. Das alles ging ohne Streit zwischen den Ortsgemeinden ab, da bereits vor Beginn der Planungen ein Solidarpakt zwischen allen 21 Ortsgemeinden vereinbart wurde. Dieser regelt, dass die Gemeinden 40 % ihrer Pachteinnahmen aus der Windkraft an die anderen Ortgemeinden abgeben.

Das erfolgreiche Aktionsprogramm fortführen

Das Aktionsprogramm „Energie 2020“ der Verbandsgemeinde Wallmerod verbindet gute Ideen mit konsequentem Handeln. Es funktioniert allerdings nur mit engagierten Mitarbeitern und einem Verbandsgemeinderat, der seit 2010 über alle Fraktionen hinweg diesen Ansatz mitgetragen hat.

Das Programm endet, wie der Name schon andeutet, eigentlich im Jahr 2020. Aber es besteht Einigkeit, den eingeschlagenen Weg weiter zu gehen. Aufbauend auf den bereits vorliegenden Erfahrungen soll im nächsten Jahr ein Klimaschutzkonzept erstellt werden, um die begonnenen Maßnahmen weiter zu führen und zusätzliche Perspektiven aufzuzeigen. Alle Maßnahmen im Bereich der Verbandsgemeinde Wallmerod sollen integriert werden, so zum Beispiel das Energieaudit, das die Verbandsgemeindewerke vor einigen Jahren gestartet haben.

Auch die Ortsgemeinden haben erkannt, dass ein systematisches Energiemanagement Vorteile bringt. Dieses soll im Rahmen des Klimaschutzkonzeptes erweitert und auf die Ortsgemeinden ausgedehnt werden. Letztendlich spielen natürlich in der Gesamtbetrachtung zukünftig auch Unternehmen, Vereine und Private eine wesentliche Rolle für den Klimaschutz in der Verbandsgemeinde. Zudem gilt es, das Thema Mobilität in geeigneter Form aufzuarbeiten und die dort vorhandenen Chancen zu nutzen.

Alle Beteiligten und die Mandatsträger sind schon gespannt, wohin der Weg des Aktionsprogrammes „Energie 2030“ in der Verbandsgemeinde Wallmerod führen wird und wie eine Win-Win-Strategie für Ökologie und Ökonomie auch im nächsten Jahrzehnt gelingt.